Bundesliga/2. Bundesliga/3. Liga: „Von Norden weht der Wind" – die 11FREUNDE-Kurvenschau


Herzlich willkommen zur Kurvenschau und zur ersten Ausgabe dieses Formats überhaupt, in der es heißt: Der HSV ist wieder erstklassig! Die Fans waren es auch in den vielen Jahren, in denen sie durch geradezu traumatische Situationen gehen mussten, Stichwort: „In Regensburg wird noch gespielt.“ Auch vor zwei Jahren stürmten Fans der Hamburger den Rasen, auch damals schienen die Rothosen den langersehnten Aufstieg in die Bundesliga perfekt gemacht zu haben, nur um von zwei späten Treffern im Parallelspiel zwischen Regensburg und Heidenheim ins Tal der Tränen befördert zu werden. Doch dieses Mal schaffte es der HSV tatsächlich aus eigener Kraft, weshalb die Fans ganz befreit und ohne Hintergedanken auf den Platz drängen konnten.

Sportvorstand Stefan Kuntz beschrieb die Situation passend: „Es ist mir so vorgekommen, als hätte einer seit sieben Jahren eine große Champagnerflasche geschüttelt, und heute hat einer den Korken aufgemacht.“ Dieser Erguss endete allerdings nicht für alle gut. Die Bilanz des Abends: Insgesamt 44 Menschen mussten medizinisch behandelt werden, 19 Personen wurden schwer verletzt, eine davon lebensbedrohlich. Wir schicken beste Genesungswünsche heraus! Hier behandelt Kollege Tim Jürgens die Ambivalenz des Phänomens Platzsturm.

Auch als jemand, der nicht mit dem HSV verbandelt ist, entgeht man der Emotionalität dieser Geschichte kaum. Jahrelang verspottet, jahrelang das Gesicht der zugrunde gewirtschafteten Traditionsklubs, jahrelang auf spektakuläre Art und Weise kurz vor dem Ziel an sich selbst gescheitert. Man kann nur erahnen, was sich an diesem Abend in allen AnhängerInnen abgespielt haben muss, wie groß der Stein gewesen sein muss, der von den Herzen fiel. Dabei war doch eigentlich wieder alles dafür angerichtet, dass der HSV sich selbst ein Bein stellt. Eine riesige Erwartungshaltung, eine entscheidende Partie vor dem heimischen Publikum, eine beeindruckende Choreo vor Anpfiff, der HSV als klarer Favorit. Bei dem einen oder der anderen dürfte das Flashbacks zum Relegationsrückspiel gegen Hertha ausgelöst haben. Und tatsächlich gerieten die Rothosen schnell in Rückstand, doch dieses Mal ging alles gut und wir freuen uns, Choreos ...

... und Pyroshows dieser Art kommende Saison in der Bundesliga bestaunen zu dürfen.

Wartet mal, das ist doch die falsche Sportart. Ja, am Wochenende war in Berlin großes Rennwochenende in Hoppegarten, aber das gehört doch hier nicht hin. Wie bitte? Das ist in Mannheim beim Spiel zwischen Waldhof und Dynamo Dresden?

Allerdings! Und damit kommen wir zum nächsten Platzsturm. Die Dresdner machten in Mannheim den Aufstieg in die 2. Bundesliga perfekt – und das trotz einer 0:1-Niederlage. Nach Abpfiff kannten die Emotionen auch hier keine Grenzen mehr, doch die Polizei schritt deutlich entschiedener ein als in Hamburg.

Somit kamen Fotos wie dieses ...

... oder auch dieses zustande, die eher an den Film „Civil War" erinnern als an ein Fußballstadion.

Vor Spielbeginn hatten die Sachsen noch diese Choreo gezeigt und eins muss man ihnen lassen: Sie haben nicht zu viel versprochen! Aus Sicht der Kurvenschau freuen wir uns jetzt schon auf das Derby zwischen Dynamo und dem 1. FC Magdeburg kommende Saison.

Neben Auf- und Abstiegen, Meisterfeiern und die Freude über das Erreichen des europäischen Geschäfts spielt am Ende einer Saison vor allem ein Thema eine große Rolle: Die Verabschiedung verdienter Spieler. Und kaum ein Spieler in der Geschichte der Bundesliga hat für seinen Verein solche Verdienste geleistet wie Thomas Müller. Nach bisher 750 Partien für die Profis, in denen er 248 Tore erzielte und weitere 274 auflegte, ist für den 35-Jährigen am Ende der Saison Schluss. Ob er seine Karriere beendet oder tatsächlich nochmal in einem anderen Trikot auflaufen wird, ist bisher noch nicht klar. Eines ist jedoch sicherer als Müller vor dem Tor: Dass er für immer einen Platz in den Herzen der Bayern haben wird. Das zeigt auch die Choreo, die ihm die Fans des FCB am Samstag widmeten.

Nach dem Spiel ließ sich Müller von den eigenen Fans feiern und ganz ehrlich: Bei seiner Vereinstreue würde es uns nicht wundern, wenn wir ihn in Zukunft öfter mal – wie hier – in der Südkurve sehen würden.

Neben der ganzen Feierei rund um Meistertitel und Thomas Müller sprachen die Münchner allerdings auch ein weiteres Thema an: Kollektivstrafen des Bayerischen Fußball-Verbands. Dieser bedachte die Würzburger Kickers nämlich mit Geisterspielen und Punktabzug als Strafe für die Ausschreitungen beim Spiel zwischen den Kickers und dem 1. FC Schweinfurt am 2. Mai.

Die Bayern-Fans prangern an, dass Kollektivstrafen im Rechtsstaat verboten seien und fordern die Auflösung des BFV.

Wir kommen zurück zum Thema Verabschiedungen: Raimund Bertels verlässt nach elf Jahren als Sportvorstand und weit über zwei Jahrzehnten im Verein den SC Verl. Als Grund gab er an, dass das Geschäft brutaler geworden sei und es ihm nicht mehr so großen Spaß mache. Außerdem möchte er mehr Zeit mit seiner Familie verbringen. Die Verler widmeten ihm zum Abschied diese Choreo.

Dankbar zeigen sich auch die Nürnberger gegenüber ihrem langjährigen Kapitän Enrico Valentini. Der Rechtsverteidiger beendet im Sommer im Alter von 36 Jahren seine Karriere. 183 lief er für die Franken auf, aus deren Nachwuchs er den Sprung in den Profifußball geschafft hatte. Nun schließt sich der Kreis, denn Valentini kehrt in die Jugendabteilung der Nürnberger zurück und übernimmt die U14.

Langjähriger Kapitän? Der geht auch beim VfL Bochum von Bord. Nach 363 Einsätzen für die Ruhrpottler beendet Anthony Losilla im Sommer seine Karriere. Auch er wird dem Verein erhalten bleiben, was die Fans, die ihm zum Abschied diese Choreo schenkten, sicher freut.

Tränenreich fiel auch der Abschied von Miloš Veljković aus. Den Innenverteidiger nahm die Trennung nach neun Jahren sichtlich mit. „Ich dachte, dass dieser Tag nie kommen würde – doch jetzt ist er da. Danke für alles", schluchzte er ins Bremer Stadionmikrofon. Er wird in seine Heimat zu Roter Stern Belgrad wechseln.

Vorher durfte er sich allerdings nochmal diese Darbietung der Bremer Fans anschauen. „Forever Werder" gilt sicherlich auch in Veljkovićs Herz.

Kein Abschied, sondern ein Jubiläum: Die Unioner Waldseite huldigte am Wochenende dem Torwarttrainer Michael Gspurning, auch Gspurti genannt, der sich nunmehr seit 300 Pflichtspielen um die Keeper der Köpenicker kümmert.

Außerdem feierten die Unioner das 30-jährige Bestehen des Fanklubs „Bürgerbräu Haie".

Ein weiteres Thema der vergangenen Tage: Am 8. Mai jährte sich das Ende des 2. Weltkrieges und damit die Befreiung Deutschlands durch die Alliierten zum 80. Mal. Die Augsburger nahmen den Tag zum Anlass, um ein Statement zu setzen.

Auch die Leipziger setzten ein Zeichen unter dem Motto „Nie wieder ist jetzt".

Ein Statement gaben auch die Leverkusener Fans ab, die sich mit ihrem Appell gegen Polizeigewalt in deutschen Stadien wohl auf die Geschehnisse rund um das Derby zwischen dem Karlsruher SC und dem 1. FC Kaiserslautern bezogen.

Die Herthaner, die eng mit den Karlsruhern befreundet sind, schlugen in einem etwas deftigeren Ton in die gleiche Kerbe.

Ein Anliegen hatten auch die Freiburger: Sie wünschen sich einen einheitlichen 33. Spieltag, so wie es bis 2020 üblich war, und werfen der DFL Wettbewerbsverzerrung vor. Alle Spiele sollten demnach samstags um 15:30 Uhr stattfinden. Dass die DFL aber auf die zusätzlichen Fernsehgelder verzichtet und zurückkehrt zu einem weniger zerstückelten Spielplan, würde wohl einer Sensation gleichen.

Einer Sensation käme auch der Aufstieg der SV Elversberg gleich. Vor der Saison rechneten noch viele mit dem klassischen „verflixten zweiten Jahr“ eines Aufsteigers, Elversberg ging als Abstiegskandidat in die Spielzeit. Nun stehen die Saarländer auf Rang drei und haben zudem noch die Chance auf den direkten Aufstieg. Diese Ausgangslage nahmen die Elversberger zum Anlass, um einen Fanmarsch zum letzten Heimspiel der Saison zu machen.

Im Stadion angekommen gab es ein Spruchband ...

... und Pyrotechnik sowie massenweise Kassenrollen.

Ein optisches Highlight lieferten auch die Fans von Fortuna Düsseldorf. In ihrer zweiteiligen Choreografie hieß es „Schon als Kind ...

... zogst du mich in deinen Bann“. Und wenn man lang genug in den Strudel guckt, sieht man die Fortuna, wie sie sich am letzten Spieltag noch auf den Relegationsplatz mogelt. Verrückt!

Gegen einen Relegationsplatz hätten die Mannheimer wahrscheinlich gar nicht so viel einzuwenden. Blöd nur, dass es den im Abstiegskampf der 3. Liga gar nicht gibt. Platz 17-20 muss den direkten Weg in die Regionalliga antreten. Waldhof hält sich gerade noch wacker auf dem 16. Rang, steht allerdings nur einen Punkt vor Borussia Dortmund II, die am letzten Spieltag also noch vorbeiziehen können. Bei Zweitvertretungen besteht ja immer die Sorge, dass sie sich in entscheidenden Spielen Verstärkung von oben holen. Zudem geht es für die Mannheimer gegen Spitzenreiter Arminia Bielefeld. Schwierige Tage für die Baden-Württemberger, deren Fans eine Aufarbeitung der Spielzeit fordern.

Wir bleiben bei Badenern und schauen auf den KSC. Zu Gast in Regensburg präsentierten die Karlsruher eine Choreo, die genau so auch in Barcelona zu sehen sein könnte. „Freies Baden" einfach schnell durch „Catalunya independiente" ersetzen, die Farben bleiben gleich und zack, sind wir im Nordosten Spaniens. Visca Karlsruhe! Visca Baden! Oder so ähnlich...

Eine kämpferische Choreo zeigten auch die Ulmer in Hamburg. Am Ende sollte es für die Spatzen trotz der Unterstützung ihrer Fans nicht reichen. Durch das 1:6 beim HSV und dem gleichzeitigen Sieg der Münsteraner gegen Hertha ist der Abstieg besiegelt.

Apropos Münster: Die durften nun also zumindest feiern, dass sie nicht mehr direkt absteigen können. Die Relegation ist aber weiterhin möglich.

Wenn man sich diese Choreo so anschaut, würde man vermuten, dass auch Union noch ums Überleben kämpft. Dabei haben die Eisernen den Klassenerhalt doch schon vor mehreren Wochen klargemacht. War die Choreo schon länger in Planung und konnte nicht mehr geändert werden? Oder gibt Union beim Kampf um Platz 12 nicht auf? Fragen über Fragen...

Auf Platz 12 steht auch der SV Darmstadt. Nur eine Liga unter den Unionern. Einen weiteren Bezug zu der Nummer lieferten die Fans mit ihrer Choreo auf dem Betzenberg, um zu symbolisieren, dass sie als 12. Mann/Frau immer hinter dem Team stehen.

Gegenüber feierten die Lauterer sich und ihre Westkurve. Völlig zurecht, wenn man sich anschaut, was für Choreografien die Roten Teufel in dieser Saison wieder auf die Beine gestellt haben.

Gleiches gilt für die Cannstatter Kurve beim VfB Stuttgart. Die besannen sich am Wochenende auf die Anfänge ihrer Stadt zurück. Bad Cannstatt, der Teil Stuttgarts, in dem die MHPArena steht, war nämlich im Römischen Reich eine bedeutende Stadt, vermutlich sogar der Hauptort einer „Civitas“, also eine halbautonome Verwaltungseinheit.

Ganz nach dem Motto des Songs „Jetzt ist Sommer, egal ob man schwitzt oder friert. Sommer ist, was in deinem Kopf passiert“, von den Wise Guys gingen die Fans von 1860 München ihre Auswärtsfahrt an und machten aus Verl kurzerhand Hawaii.

Während der ein oder andere Münchner Verl mit Hawaii verwechselte, hatte der Irrtum einiger Energie-Cottbus-Fans schwerwiegendere Folgen. Denn nachdem die Lausitzer einen extrem wichtigen Auswärtsdreier aus dem Ostseestadion entführen konnten und dabei eine eindrucksvolle Pyroshow ablieferten, kam es auf dem Rückweg zu unschönen Szenen. So soll eine Gruppe von circa 100 alkoholisierten Energie-Anhängern auf dem Rastplatz Prignitz/West 23 völlig nichtsahnende und unbeteiligte Rugby-Fans angegriffen haben. Das Problem: Die Opfer trugen wohl blaue Trikots. Die Cottbusser hielten sie in ihrem Rausch scheinbar für Fans von Hansa Rostock. Nachdem sie zehn Rugby-Fans verletzt hatten, setzten die Lausitzer ihre Reise fort, konnten jedoch von der Polizei gestoppt und kontrolliert werden. Die Ermittlungen laufen.

Zum Abschluss der Rubrik zeigen wir euch noch ein paar schöne Pyroshows: Wir starten mit den Bielefeldern ...


... und beschließen diese Ausgabe der Kurvenschau mit den Freiburgern. Wir wünschen euch eine schöne Restwoche und sehen uns am Dienstag bei der letzten Kurvenschau dieser Saison wieder.
11freunde